Ich kannte die Liedzeile „One day, baby, we’ll be old�, aber dachte nicht weiter darüber nach. Bis ich dJa, ich weiß, ein bisschen late to the party.
Ich kannte die Liedzeile „One day, baby, we’ll be old�, aber dachte nicht weiter darüber nach. Bis ich darauf angesprochen wurde, dass es da diese deutschsprachige Perfomance gibt, die sich auf den Song bezieht. Als Poetry Slam von Julia Engelmann. (Falls ihr es noch nicht kennt, schaut es euch bitte auf YouTube an!)
Muss zu meiner Schande gestehen, dass ich den Namen noch nie gehört hatte. Habe ich gleich nachgeholt und mir dieses Büchlein gekauft. Und ich finde es wirklich sehr ansprechend, manchmal zu Tränen rührend. Z. B.
“Ich glaub, du weißt nicht, wie’s sich anfühlt, manchmal zwar zu zweit, aber einsam zu sein.�
Natürlich erinnert mich das sofort an meinen geliebten Kästner mit seiner Formulierung „Einsam bist du sehr alleine, doch am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.� In einem anderen Gedicht zitiert Engelmann ihn auch.
Und überhaupt finde ich Engelmann hat viel von dieser Gebrauchslyrik, die ich vor allem von Kästner kenne, die keine Bildungshürden aufbaut, sondern direkt anspricht. Jeden. (Habe dann noch mal schnell in das noch immer nicht zu Ende gelesene Kästner, Kraftwerk, Cock Sparrer: Eine Liebeserklärung an die Gebrauchslyrik geschaut, ob Engelmann auch dort erwähnt wird. Wird sie aber leider nicht).
Ich liebe ihre Gedanken eines Goldfisches, der aus seinem Glas die Menschen beobachtet: “Komisch, wie sie die ganze Zeit ihre Verpackung aufwerten wollen und dann sagen, wie wichtig ihnen innere Werte sind.�
“Und verrückt, wie sie Angst haben zu sagen, dass sie jemanden mögen, weil sie Angst haben, nicht zurückgemocht werden.� (Das Gedicht ‚Goldfisch� ist für mich ein echter Favorit!)
Und ich liebe ihre Worte in der Bestandsaufnahme in drei Teilen, Teil 2: “Ich hab so bescheuert viel Angst.
Angst vor falschen Entscheidungen und davor, mich nicht zu entscheiden, Angst irgendwo wegzugehen und mir eigentlich zu wünschen zu bleiben, hab Angst, Fehler zu machen, auch wenn ich weiß, dass sie wichtig sind, hab Angst, zu spät zu merken, welche Wege doch richtig sind, Angst davor, wie schnell die Zeit vergeht und dass ich sie nicht richtig nutze, Angst, dass ich all das nicht umsetzen kann, was mir lange bewusst ist, […] Angst, ich selber zu sein, und Angst, dass das nicht ausreicht, Angst, so viel zu verpassen, und ich sag vielleicht zu oft „vielleicht�, […] Angst, dass ich Angst vielleicht zu wichtig nehme oder falsch definiere.
Ich habe Angst, dass ich vom ganzen Nachdenken irgendwann heimlich, still und leise implodiere und in tausend Stücke zersplitter."
(und ich habe gerade ein wenig Angst, dass ich das Zitationsrecht überstrapaziere.)
Ja, findet mich nur albern, rührselig oder naiv, dass ich das so abfeiere. Aber Literatur soll berühren, vielleicht nicht zwingend jede und jeden. Aber mich berührt es!...more
Ein Witwer und seine zwei Söhne werden nach ihrem Verlust von einer Krähe im wahrsten Sinne des Wortes heimgesucht.
In kurzen Abschnitten kommen im WecEin Witwer und seine zwei Söhne werden nach ihrem Verlust von einer Krähe im wahrsten Sinne des Wortes heimgesucht.
In kurzen Abschnitten kommen im Wechsel „Dad�, „Jungs� und eben „Krähe� zu Wort, wobei insbesondere die Sprache der Krähe sehr poetisch ist: lautmalerisch, nachdenklich, albern, traurig, grausam, kryptisch, erhellend�
Oder wie „Dad� es beschreibt: Bei Krähe gibt es ein faszinierendes Wechselspiel zwischen Natur- und Kulturwesen, zwischen Aasfresser und Philosoph, Ganzheitsgott und schwarzem Fleck, zwischen Krähe und Vogelsein. Mir scheint, dasselbe Wechselspiel findet zwischen Trauer und Leben statt, damals und heute.
Porter findet schöne Bilder dafür, wie man aus Trauer und Liebe grausame Dinge tut, wie hier die „Jungs�: Der Gerechtigkeit halber musste man sagen, dass unser Dad authentisch war. Still, listig und tragisch. Wir mussten ihn nach Kräften verarschen. Wir waren überzeugt, unsere Mum hätte es so gewollt. Besser konnten wir ihn nicht lieben und ihm danken.
So metaphorisch und märchenhaft erinnert die Geschichte stark an das später geschriebene Buch Lanny. Auch dort gibt es Stimmen von Erwachsenen, Kindern und � besonders poetisch-grausam � einem mysteriösem Kobold.
Zudem reiht sich das Buch nicht nur ein in eine Reihe von Werken, die Trauer sprachlich und literarisch zu fassen suchen, sondern stellt den literarischen Rabenvögeln ein beeindruckendes Exemplar zur Seite. Ich denke da zum Beispiel an Poes Der Rabe und Marons Munin, aber die eigentliche Inspiration hier ist Crow: From the Life and Songs of the Crow von Ted Hughes, über den der Vater in dieser Geschichte publiziert und das ich jetzt auch lesen möchte. Hughes schrieb dieses Werk selbst angesichts eines großen Verlustes, dem Selbstmord von Sylvia Plath....more
Ich habe mir dieses vielgelobte Buch zu Weihnachten geschenkt oder besser gesagt bestellt. Und gestern erst bekommen, weil zunächst die zweite AuflageIch habe mir dieses vielgelobte Buch zu Weihnachten geschenkt oder besser gesagt bestellt. Und gestern erst bekommen, weil zunächst die zweite Auflage gedruckt werden musste.
Ich mag dieses Buch wirklich sehr gerne, vor allem das Format, das Papier, die Illustrationen von Tieren und Pflanzen, die über die Seiten geworfenen Buchstaben. Bei den Texten wird es etwas schwieriger und ich befürchte, dass die Übersetzung hier ein wenig den Zauber beeinträchtigt. Natürlich müssen Gedichte nicht immer reimen, aber hier fehlt mir gelegentlich ein wenig der poetische Klang (dass ich die Gedichte zu Elster und Rabe besonders mag, liegt wohl an meinen persönlichen Sympathien). Ein anderes Beispiel: Der „goldfinch� wird hier fälschlicherweise mit Goldfink übersetzt, der Vogel heißt im Deutschen aber Distelfink (wie alle Tartt-Leser wissen) oder Stieglitz. Allerdings würde das Wortspiel mit Gold dann nicht mehr funktionieren. Irgendwie stoße ich mich an solchen Unexaktheiten, gerade wenn es explizit um Wörter geht.
Trotzdem ein schönes Buch, aber vielleicht eines, das man im Original lesen sollte. Das sollte nicht allzu mühsam sein, weil die Texte kurz sind und die Bilder im Vordergrund stehen. ...more
Wunderbar albern, Immer wieder tauchen der Rabe Ralf und das Mondkalb auf. Und wenn es nicht um diese beiden geht, dann verleiht Morgenstern oft GegenWunderbar albern, Immer wieder tauchen der Rabe Ralf und das Mondkalb auf. Und wenn es nicht um diese beiden geht, dann verleiht Morgenstern oft Gegenständen eine Stimme, wie einem Würfel, einem Lattenzaun oder einer Weste.
Mein Lieblingsgedicht: Der Lattenzaun Es war einmal ein Lattenzaun, mit Zwischenraum hindurch zuschaun.
Ein Architekt, der dieses sah. Stand eines Abends plötzlich da �
Und nahm den Zwischenraum heraus Und baute draus ein großes Haus.
Der Zaun indessen stand ganz dumm. Mit Latten ohne was herum.
Ein Anblick grässlich und gemein. Drum zog ihn der Senat auch ein.
Der Architekt jedoch entfloh Nach Afri- oder Ameriko....more
Überraschend ist mir dieses kleine Büchlein in die Hände gefallen mit wunderbaren Abbildungen nach Chodowiecki. Und es hat mich verblüfft wie amüsant-Überraschend ist mir dieses kleine Büchlein in die Hände gefallen mit wunderbaren Abbildungen nach Chodowiecki. Und es hat mich verblüfft wie amüsant-böse Lessing sein kein. Viele Gedichte erschließen sich nicht, wenn man nicht weiß, wen er veralbert, aber die Grabinschriften sind köstlich, z.B.: "Hier modert Nitulus, jungfräulichen Gesichts, der durch den Tod gewann; er wurde Staub aus nichts." Oder: "Grabschrift der Tochter eines Freundes, die vor der Taufe starb. Hier lieget, die Beate heißen sollte und lieber sein als heißen wollte." Oder: "Grabschrift eines Gehenkten. Hier ruht er, wenn der Wind nicht weht!" Und dann ist da auch das berühmte Gedichte über den Brand im Hurenhaus, der von Mönchen gelöschte wurde - weil die gerade zur Hand waren....more
Erinnert im Stil an Erich Kästners, aber eben aus weiblicher Sicht.
Mein Lieblingsgedicht ist "An mein Kind":
"Dir will ich meines Liebsten Augen geben uErinnert im Stil an Erich Kästners, aber eben aus weiblicher Sicht.
Mein Lieblingsgedicht ist "An mein Kind":
"Dir will ich meines Liebsten Augen geben und seiner Seele flammenreines Glühn. Ein Träumer wirst du sein und dennoch kühn verschloßne Tore aus den Angeln heben.
Wirst ausziehn, das gelobte Glück zu schmieden. Dein Weg ist frei. Denn aller Weisheit Schluß bleibt doch zuletzt, daß jedermann hienieden all seine Fehler selbst begehen muß.
Ich kann vor keinem Abgrund dich bewahren. hoch in die Wolken hängte Gott den Kranz. Nur eines nimm von dem, was ich erfahren: Wer du auch seist, nur eines - sei es ganz!
Du bist, vergiß es nicht, von jenem Baume, der ewig zweigte und nie Wurzel schlug. Der Freheit Fackel leuchtet uns im Traume - bewahr den Tropfen Öl im alten Krug!" ...more
Albrecht Haushofer engagiert sich im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, wurde inhaftiert und ermordet. Sein Bruder fand bei seiner Leiche Die AAlbrecht Haushofer engagiert sich im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, wurde inhaftiert und ermordet. Sein Bruder fand bei seiner Leiche Die Aufzeichnungen des Toten mit dem Titel "Moabiter Sonette". Nicht alle Gedichte haben mir gleichermaßen gefallen. Manchmal gibt es einen religiösen Einschlag, der mich nicht anspricht. Beeindruckend sind aber vor allem die Stellen, an denen es explizit um Haushofers Gefangenschaft geht. In „An der Schwelle� geht es scheinbar um seine Todessehnsucht, auf die er folgendermaßen antwortet: „Es ist uns nicht erlaubt, uns fortzustehlen, mag uns ein Gott, mag uns ein Teufel quälen.�
Und besonders mag ich das Sonett „Rundmarsch der Gefangenen�:
In Moskau hab ich einst ein Bild gesehn. Van Gogh, der Meister. Dunkler Quadern Bau. Ein Innenhof. Gefangne, grau in grau, die hoffnungslos in engen Kreisen gehen.
Nun schau ich selber durch die Gitterstäbe In einen Hof, darin man Menschen treibt Wie Herdenvieh, das noch zu hüten bleibt, bevor man ihm das Beil zu spüren gebe.
Als Herrscher aller dieser grauen Bahnen Steht einer draußen, den die Lust erfüllt, wenn andre leiden. Einer, der noch brüllt,
wenn andre schweigend schon die Wandlung ahnen, die aus den Gräbern sprossend längst beginnt, bevor sie rot in rote Ströme rinnt.
Wenn dass mal nicht auch auf Ereignisse im Rahmen des Krieges gegen Al Quaida passt. ...more