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Der Verdacht
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Veronika's review
bookshelves: klassiker, murder-mystery, male-author, favoriten
Dec 02, 2017
bookshelves: klassiker, murder-mystery, male-author, favoriten
Read 2 times. Last read July 26, 2019.
Vor annähernd zwanzig Jahren war ich bei einem Freund zu Hause, der noch schnell was erledigen musste, mit einer raschen Handbewegung auf sein Zimmer deutete und zu mir sagte "fühl dich ganz wie zu Hause, es dauert nicht lange!".
Nun, es dauerte wohl doch eine Weile, denn in dieser Wartezeit schaffte ich es ein dünnes Taschenbuch aus seinem Regal zu ziehen das den spannend klingenden Titel "Der Verdacht" trug, (was verborg sich wohl dahinter? Ein Krimi? Um was für einen Verdacht ging es hier eigentlich?), bloß "mal reinschnuppern zu wollen", sofort hängen zu bleiben und es dann in einem Zug durchzulesen. Ich erinnere mich vage, dass besagter Freund zwischendurch wiederkam und ich ihn verärgert weg wedelte und signalisierte, er müsse mich das jetzt erst zu Ende lesen lassen.
Das waren meine Erinnerungen an dieses dünne Büchlein von Dürrenmatt.
Neulich fiel es mir in einem Bücherschrank in die Hände und ich nahm es sofort mit, mit den gemischten Gefühlen von Vorfreude und dem ängstlichen Zaudern, dass es mir vielleicht beim wiederholten Lesen doch nicht mehr so gut gefallen und mich um eine schöne Erinnerung bringen würde.
Aber ... weit gefehlt.
Ich denke, ich kann guten Gewissens behaupten, dass mir das Buch mit 37 NOCH besser gefallen hat als mit 18 und ich habe es erneut in atemloser, unziemlicher Hast verschlungen (eine halbe Bahnfahrt hat es gedauert), obwohl ich sogar noch grob wusste wie es endete.
Das Buch gehört zu den spannendsten Werken, die ich je gelesen habe und ist mit Sicherheit Dürrenmatts allerbestes Buch. Es ist gleichermaßen Krimi, Thriller und dramatische Vergangenheitsaufarbeitung und alles drei gleichermaßen kunstfertig.
Sowohl die Entstehung des namengebenden Verdachts (schnell zusammengefasst und verdient auch keinen Spoilertag, da dieser Verdacht praktisch schon auf den ersten beiden Seiten geäußert wird: "Ist der bekannte Chefarzt ein ehemaliger KZ-Arzt, der grässliche Experimente an Gefangenen durchgeführt hat?"), wie auch die Ermittlung, das entstehende Katz- und Mausspiel, und die Art wie Dürrenmatt die Vergangenheit lebendig werden lässt, sind unglaublich intensiv und plastisch. Auch wenn anfangs gar nicht viel passiert, kriecht doch zunehmend etwas Unheimliches, Düsteres in die Szenerie. Etwas Grauenerregendes zeichnet sich ab unter der gutbürgerlichen Fassade von solider Anständigkeit, was ich als unglaublich sinnbildlich und stellvertretend für die gesamten 50er Jahre empfunden habe.
Die Unfassbarkeit des Bösen, der bodenlose Alptraum, dieser Abgrund, der sich vor einem öffnet, wenn man ein wenig kratzt an der dünnen Fassade, das alles ist schwindelerregend und schrecklich und entwickelt einen unglaublichen Sog.
Es gibt Täter und Opfer in diesem Buch, aber auch Mitläufer, Leute die weggesehen haben, und es gibt Opfer, die selbst zu Tätern geworden sind, weil es die einzige Art zu Überleben war, weil es die einzige Art war mit dem Leben irgendwie weiter zu machen.
Der Jude Gulliver verkörpert die leibhaftige, fleischgewordene Erinnerung an all die Gräueltaten, die damals geschehen sind, er ist ein lebendes Mahnmal an das was ihm und Millionen anderen angetan wurde. Er ist ein unglaublich beeindruckender Charakter, der einen nachhaltig beschäftigt.
Ich kann das Buch eigentlich nur jedem empfehlen. Es ist sehr kurz, aber wahnsinnig spannend und beklemmend bis zum Schluss. Und es hinterlässt einen mit einem Gefühl von unendlichen Fragen und einem Wirbel aus Emotionen, was nur die besten Bücher schaffen.
Nun, es dauerte wohl doch eine Weile, denn in dieser Wartezeit schaffte ich es ein dünnes Taschenbuch aus seinem Regal zu ziehen das den spannend klingenden Titel "Der Verdacht" trug, (was verborg sich wohl dahinter? Ein Krimi? Um was für einen Verdacht ging es hier eigentlich?), bloß "mal reinschnuppern zu wollen", sofort hängen zu bleiben und es dann in einem Zug durchzulesen. Ich erinnere mich vage, dass besagter Freund zwischendurch wiederkam und ich ihn verärgert weg wedelte und signalisierte, er müsse mich das jetzt erst zu Ende lesen lassen.
Das waren meine Erinnerungen an dieses dünne Büchlein von Dürrenmatt.
Neulich fiel es mir in einem Bücherschrank in die Hände und ich nahm es sofort mit, mit den gemischten Gefühlen von Vorfreude und dem ängstlichen Zaudern, dass es mir vielleicht beim wiederholten Lesen doch nicht mehr so gut gefallen und mich um eine schöne Erinnerung bringen würde.
Aber ... weit gefehlt.
Ich denke, ich kann guten Gewissens behaupten, dass mir das Buch mit 37 NOCH besser gefallen hat als mit 18 und ich habe es erneut in atemloser, unziemlicher Hast verschlungen (eine halbe Bahnfahrt hat es gedauert), obwohl ich sogar noch grob wusste wie es endete.
Das Buch gehört zu den spannendsten Werken, die ich je gelesen habe und ist mit Sicherheit Dürrenmatts allerbestes Buch. Es ist gleichermaßen Krimi, Thriller und dramatische Vergangenheitsaufarbeitung und alles drei gleichermaßen kunstfertig.
Sowohl die Entstehung des namengebenden Verdachts (schnell zusammengefasst und verdient auch keinen Spoilertag, da dieser Verdacht praktisch schon auf den ersten beiden Seiten geäußert wird: "Ist der bekannte Chefarzt ein ehemaliger KZ-Arzt, der grässliche Experimente an Gefangenen durchgeführt hat?"), wie auch die Ermittlung, das entstehende Katz- und Mausspiel, und die Art wie Dürrenmatt die Vergangenheit lebendig werden lässt, sind unglaublich intensiv und plastisch. Auch wenn anfangs gar nicht viel passiert, kriecht doch zunehmend etwas Unheimliches, Düsteres in die Szenerie. Etwas Grauenerregendes zeichnet sich ab unter der gutbürgerlichen Fassade von solider Anständigkeit, was ich als unglaublich sinnbildlich und stellvertretend für die gesamten 50er Jahre empfunden habe.
Die Unfassbarkeit des Bösen, der bodenlose Alptraum, dieser Abgrund, der sich vor einem öffnet, wenn man ein wenig kratzt an der dünnen Fassade, das alles ist schwindelerregend und schrecklich und entwickelt einen unglaublichen Sog.
Es gibt Täter und Opfer in diesem Buch, aber auch Mitläufer, Leute die weggesehen haben, und es gibt Opfer, die selbst zu Tätern geworden sind, weil es die einzige Art zu Überleben war, weil es die einzige Art war mit dem Leben irgendwie weiter zu machen.
Der Jude Gulliver verkörpert die leibhaftige, fleischgewordene Erinnerung an all die Gräueltaten, die damals geschehen sind, er ist ein lebendes Mahnmal an das was ihm und Millionen anderen angetan wurde. Er ist ein unglaublich beeindruckender Charakter, der einen nachhaltig beschäftigt.
Ich kann das Buch eigentlich nur jedem empfehlen. Es ist sehr kurz, aber wahnsinnig spannend und beklemmend bis zum Schluss. Und es hinterlässt einen mit einem Gefühl von unendlichen Fragen und einem Wirbel aus Emotionen, was nur die besten Bücher schaffen.
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Der Verdacht.
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Finished Reading
December 2, 2017
– Shelved
December 2, 2017
– Shelved as:
klassiker
July 25, 2019
– Shelved as:
murder-mystery
July 25, 2019
– Shelved as:
male-author
July 26, 2019
–
Started Reading
July 26, 2019
– Shelved as:
to-read
July 26, 2019
–
16.53%
"Mein Lieblings-Dürrenmatt. Re-read nach fast zwanzig Jahren. Bin gespannt wie ich es heute finde. ;)"
page
20
July 26, 2019
–
Finished Reading
August 25, 2019
– Shelved as:
favoriten
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Peter
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Aug 06, 2019 03:45AM

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