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Colorado Saga by James A. Michener
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bookshelves: american-post-wwii

Gelungene Rückkehr auf vertrautes Terrain

Mit Centennial/Colorado-Saga kehrte James Michener wieder aufs historische Terrain zurück, nachdem er im Gegenwartsroman „Drifters/Die Kinder von Torremolinos� (ausführliche Rezi /review/show...) einen aufgeschlossenen Angehörigen seiner Generation in den Dialog mit jungen Aussteiger treffen ließ, die das Establishment ablehnten und nie so werden wollten wie ihre Eltern. Doch die Europa- und Afrikareise im Bully öffnet nur geographisch neue Horizonte. Die letztlich ebenso halt- wie hilflosen jungen Hoffnungsträger scheitern in jeder Hinsicht. Statt einen brauchbaren Gegenentwurf zur Konsumwelt ihrer Eltern zu entwickeln, gehen sie weltanschaulichen Rattenfängern auf den Leim, rutschen in Drogen oder Kriminalität ab und enden als Opfer von Polizeibrutalität und Rassismus. Mehr als ein wenig Rechtshilfe für Wehrdienstverweigerer Joe, der sich der Einberufung nach Vietnam durch Flucht entzogen hat, kann der aufgeschlossene Helfer nicht bieten.
Immerhin hat der ernüchterte Kriegsgegner den Anspruch zu Hause etwas zum Besseren zu bewegen. Ein schwieriges Buch mit zu vielen offenen Fragen, auf die Anno 1971 niemand eine Antwort wissen konnte. Von daher muss die Rückkehr auf vertrautes, historisches gewachsenes Terrain bei Michener einen Extraschub in Sachen Gestaltungsanspruch ausgelöst haben.

Alles korrespondiert miteinander

Denn in der Colorado-Saga korrespondieren sogar Kapitel miteinander, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Eher pflichtgemäß absolvierte Kapitel aus der Vor- und Frühgeschichte gewinnen in der menschlichen Zeitrechnung wieder Bedeutung, etwa wenn das Pferd, dessen Vorläufer in Colorado heimisch waren, mit den Spaniern wieder in die Prärie zurück kehrt. Oder Levi Zendt die ersten Mammut-Funde auf dem Gelände seiner Farm macht und damit ein neues Eldorado für die Paläonthologie eröffnet, nachdem der Goldrausch abgeklungen ist. Die Einwanderung des Bisons, die wechselnden Methoden die mächtigen Tiere zu jagen bis zu den Massakern vom fahrenden Zug aus, bildet einen dieser roten Fäden.
Mein persönlicher Favorit der Naturkapitel ist das Leben der Klapperschlange, die sogar den Absturz nach einen Kampf mit Adler in den Lüften übersteht, aber nicht auf die Ankunft des Menschen vorbereitet ist.
Markantester Bezugspunkt ist sicher die Leiche, die Chronist Louis Vernor beim Erstbegang des Schauplatzes in einer urzeitlichen Höhle findet, die zufällig im Verlauf von Bauarbeiten in Centennial frei gelegt wird. Der zugehörige Mord ereignet sich im Kapitel Das Verbrechen, das sich auch als längere Erzählung konsumieren lässt, da das frisch eingeführte Personal erst in den Kapiteln danach seinen kriminellen, aber inzwischen legalen Geschäften nachgeht.
Der erste Teil des Romans schildert das Mit- und Gegeneinander von Indianern und Weißen. Die in der üblichen Wildwest-Literatur eher als Schlappschwänze verhandelten Arapaho und der Krieger „Lahmer Biber� bilden den Ausgangspunkt der indianischen Handlung. Die Berührung des Gegners im Kampf ist wichtiger als das Töten, durch den Einfallsreichtum von lahmer Biber, der andere Stämme geschickt austrickst, kommen die Arapaho endlich auch zu Pferden. Vorher galt es eine Stampede auszulösen, bei der möglichst viele Tiere in eine Schlucht stürzten, um an genügend Fleisch zu gelangen, damit der Stamm das Pemmikan für den Winter dörren konnte. Lahmer Biber kommt, trotz etlicher Leistungen, die den Stoff für Legenden bilden, nie für den Posten des Häuptlings in Frage. Nach seinem Tod lässt der Stamm seine Witwe elendiglich verhungern und erfrieren. Die letzte Wärmequelle für Blaues Blatt sind die Pferde, ohne ihren Mann würden die Arapaho immer noch zu Fuß auf die Jagd gehen, wenn sie nicht längst verhungert wären.
Derartige Feinheiten runden die jeweiligen Kapitel ab, zugleich macht Michener immer wieder deutlich, wie leicht es die in ihren Traditionen und albernen Rivalitäten gefangenen Stämme den Weißen gemacht haben, sich das Land zu nehmen.

Der Wandel im Westen

Im Kapitel um Lahmer Biber führt Michener die beiden Fallensteller Pasquinel und McKeag (in der Serie gespielt Richard Chamberlain) ein, die beide mal mit seiner Tochter Tönerne Schale heiraten werden. (Im Film Bond-Bösewichtin und Herrenmagazin-Magnetin Barbara Carrera. Für den zwielichtigen Rinderzüchter Seccombe kam mit Timothy Dalton gar ein späterer Bond zum Einsatz.) Pasquinel, der die besten und die schlechtesten Eigenschaften eines Westmannes in sich vereinigt, nimmt die Indianerbraut wegen eventueller Goldfunde in Kauf, McKeag erweist sich später als Versorger. Pasquinels Brut mit der Indianerin führt später die letzte große Rebellion in Colorado an. Seine Tochter heiratet den Helden der nächsten Generation: Levi Zendt, der seiner bigotten Familie wegen Liebeshändeln den Rücken gekehrt hat und mit einer aufgegebenen Kutsche den Weg nach Westen antritt. Der Zug des Mennoniten mit seiner Canestoga und einer Verlegenheitsbraut (im Film gespielt von Remington-Steele Stefanie Powers), die erst auf dem Weg lieben lernt, ehe er sie durch den Biss einer Klapperschlange verliert*, ist einer der Höhepunkt der ersten Hälfte.
*Gewissermaßen die Rache der späteren Generation an einer Unschuldigen.
Als Kind haben mich Western ohne Indianer nicht so schrecklich interessiert, beim im Vorjahr gelesenen Texas ging es mir mit den zivilisierteren Kapiteln so ähnlich, in der Colorado-Saga habe ich die Kapitel über die Rinderzucht oder Landwirtschaft mit minimalem Wassereinsatz mindestens genauso in den Bann gezogen wie die Fallensteller-Kapitel. Zum einen versteht es Michener, beim Wechseln von einer (Bewohner)-Generation zur nächsten, die Leser für jeweilige Problematik zu sensibilieren, ganz egal ob der sonst so zuverlässsige Leitbulle am Ende des Llano Estacado plötlich Amok läuft und erschossen werden muss oder ganze Herden elendiglich verenden, weil niemand an Futterreserven für frostige Winter gedacht hat. Gegen Ende spielen Sackgassen bei einer auf erste Preise ausgerichteten Zucht von Salonkühen eine Rolle, auch beim Thema Ertrag und Nachhaltigkeit.

Unbeabsichtigte Aktualität

Da die Böden von Colorado nur eine vergleichsweise geringe Einwohnerzahl ernähren können, spielt der Umgang mit knappen Ressourcen wie Wasser eine ganz entscheidende Rolle, nicht nur bei der Rinderzucht. Das Familiendrama des Musterfarmers Grebe, dessen Tugenden sich unter den Bedingungen der Landwirtschaft auf trockenen Prärieböden als kontraproduktiv beweisen ist nicht nur wegen seiner Tragik und der Machenschaften eines Bodenspekulanten tragisch, der den Ruin seiner Kunden schon einkalkuliert hat.
Irgendwie fühlte ich mich an die aktuelle Energiewende mit ihrem Windkraftwahn erinnert, in dessen Gefolge Subventionsritter jede Fläche oder aussichtsreiche Höhe zupflastern, um Energieproduzenten aufzustellen, deren Leistung nicht zuverlässig oder in einem Übermaß vorhanden ist, das derzeit nicht gespeichert werden kann. Gleichbedeutend mit kostenpflichtiger Entsorgung des Überschusses oder Stillstandzahlungen an Betreiber, wenn der Wind mal so weht, dass die ständig als Dauerleistung vekauften Energiemengen erzeugt werden. Dass dabei Böden mit einem energieintensiven Baustoff zubetonniert werden, Wälder vernichtet werden, deren Bäume jetzt schon Sauerstoff erzeugen und mehr Co2 binden als diese Dinger erzeugen können, wird vollkommen ignoriert.
Windkraft war zu Zeiten der Entstehung der Colorado-Saga noch nicht mal eine Verheißung, Michener hat am Schicksal der letztlich numgschnappten Frau Grebe immerhin die Auswirkungen des natürlichen Infraschalls der Stürme thematisiert, inzwischen potenzieren Windräder das Phänomen.
Insofern gewinnt auch ein altes Buch, das im letzten Kapitel die ersten Anläufe zum Umweltschutz und gegen das Zupflastern jedes Seitentals mit Skiliften thematisiert sogar unverhoffte Aktualität. Auch wenn der Vorreiter in Sachen Umweltbewusstsein im Staat aus aktueller Sicht trotzdem von gewissen Leuten als Drecksau beschimpft würde, die an alte Geschichten immer gleich aktuelle Maßstäbe von ARD-Tagesschau bis Zeit oder den letzten Stand ihres Schulwissens anlegen müssen. Im Alltag aber keinen Millimeter über ihre medialen Scheuklappen hinaus sehen.

Fazit:

Ein Roman mit so vielen Epochen und Personal mit wechselndem Sympathiegrad, auch wenn Michener jeder Gestalt ein gerüttelt Maß an Licht und Schatten oder Einsicht und Betriebsblindheit zugesteht, kann sich nicht durchweg auf Fünf-Sterne-Niveau bewegen. Aber die schlüssig durchgeführte Kompositionen des Romans als Ökosystem mit konsequent durchgeführten Binnenbezügen rechtfertigt fünf Sterne auf jeden Fall. Um noch einmal die historische Vergleichsgröße Texas zu bemühen. Der spätere Roman verfügt über Einzelkapitel, die Teile von Centennial vielleicht sogar übertreffen, ist aber längst nicht so schlüssig aufgebaut, der Handlungsfluss versickert immer wieder, das Ende ist eher versöhnlich aus Verlegenheit. In der Colorado-Saga spielt das Ökosystem und der bewusste Umgang mit den Ressourcen eine tragende Rolle, ohne, dass ständig mit erhobenem Zeigefinder herum gefuchtelt wird, deshalb lohnt sich die Lektüre, auch wenn aktuell ganz andere Standards gelten und ein Naturbursche, der mit dem Van in die Wüste fährt, damit er den klaren Sternenhimmel ansingen kann, als Dinosaurier gilt. Der Michener von heute würde den Professor der Hinterwäldler-Uni und den Countrystar wohl auf zwei Mountainbikes ins Schlussbild schicken.

Obwohl, bei uns im Nationalpark gibt es schon E-Bike-Rockerbanden, die Ranger/Waldhüter verprügeln, die sie im Sinne des Naturschutzes auf den vorgeschrieben Wegen halten wollen.
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Reading Progress

October 21, 2019 – Shelved
October 21, 2019 – Shelved as: to-read
October 25, 2019 – Shelved as: american-post-wwii
October 31, 2019 – Started Reading
November 1, 2019 –
page 42
4.69% "Professor von einer Hinterwäldler-Uni bekommt einen lukrativen Auftrag zur Kontroll-Recherche für ein Magazin. Erstkontakt mit Coors-Bier und Mexikanischer Küche, beide sind in den 45 Jahren seit der Entstehung des Romans zum maßgeblichen Teil der US-Lebensweise geworden. Das erste Kapitel sorgt für Vertrautheit, wenn man einen anderen Roman aus Micheners Historiengattung kennt."
November 2, 2019 –
page 49
5.47% "Fressen und gefressen werden vor 150 Millionen Jahren, die ersten Warmblüter suchen ihre Nische in der Welt der Schreckensechsen. Die Geologische Predigt des vorhergehenden Kapitels war zwar gar nicht mal so schrecklich lang wie in manchen Rezis beschrieben, aber trotzdem ein wortreiches Lesehindernis. Der klägliche und schrecklich unberechenbare Platte-Fluss ist mir schon ans Herz gewachsen."
November 4, 2019 –
page 101
11.27% "Beim Kampf der Schlange mit dem Adler hatte ich zum ersten mal das Gefühl, dass sich die Lektüre der Colorado-Saga lohnt."
November 5, 2019 –
page 163
18.19% "Die Arapahos haben keine Feuerwaffen und keine Pferde, gleichbedeutend mit großen Nachteilen bei der Büffeljagd. Wenn es nicht gelingt, eine ganze Herde zur Stampede auf einen Abgrund zu zwingen, müssen alle hungern. Im Erfolgsfall sterben ein paar hundert Tiere für nichts und wieder nichts. Der junge Krieger Lahmer Bieber lässt sich was einfallen und gewinnt dabei auch Blaues Blatt, die einzige Squaw mit einem Pferd"
November 8, 2019 –
page 186
20.76% "Toller Kerl, der Abenteurer Pasquinel, dass Michener für seine Geschichte noch mal das Rad der Zeit zurück dreht und Wildes Wasser und Lahmer Biber noch mal am Leben sind, war erst ein wenig irritierend."
November 9, 2019 –
page 243
27.12% "Mit den Abenteuern von Pasquinel und seinem ²õ³¦³óü³¦³ó³Ù±ð°ù²Ô±ð²Ô Freund McKeag nimmt die Geschichte richtig Fahrt auf. Bei allem Mut und Pragmatismus der beiden zeigt Michener auch die charakterlichen Schattenseiten und ökologische Katastrophe der Biberjagd."
November 9, 2019 –
page 270
30.13% "Levi Zehndt bricht aus der fest gefügten Welt der Mennoniten und Amish von Lancaster County aus. Endlich, die Miefigkeit der frommen und ach so geschäftstüchtigen Deutschen war schwer erträglich, die Fallenstellerzeit in Colorado erschien mir, im Vergleich dazu, fast wie ein verlorenes Paradies.
Bin gespannt darauf, ob sich 30 Jahre später noch persönliche Verbindungen zu den vorher gehenden Kapiteln ergeben."
November 14, 2019 –
page 351
39.17% "Im Treck nach Westen kam, wieder mal, das Beste und das Schlechteste im Menschen zum Vorschein. Besonders ätzend die frömmelnden Frakes und Fishers, der Führer Squaw-Killer die bislang niederträchtigste Verkörperung des Westmannes, das Ende der schwangeren Elly so kurz vor der Ankunft ist ein Schock. Insgesamt das Kapitel aus der Serie, an das ich mich noch am besten erinnere, auch Levis Trauerzeit."
November 14, 2019 –
page 420
46.88% "Das Kapitel über die große Friedenskonferenz und die damit verbundenen logistischen und diplomatischen Schwierigkeiten erweist sich als Treibsand und ganz enormes Lesehindernis, es langweilt mich schrecklich. Das Verbrechen löst dagegen das Rätsel des Leichenfundes aus dem ersten Kapitel und bringt wieder echten Lesespaß."
November 15, 2019 –
page 490
54.69%
November 15, 2019 –
page 590
65.85% "Mit der Abschiebung in Reservate spielen die Indianer nur noch eine trunkene Randnotiz."
November 20, 2019 – Finished Reading

Comments Showing 1-3 of 3 (3 new)

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nettebuecherkiste Ja, das fand ich auch etwas merkwürdig. Die Frauen haben bisher in dem Buch echt das Nachsehen...


message 2: by Hendrik (new)

Hendrik "... auch wenn aktuell ganz andere Standards gelten und ein Naturbursche, der mit dem Van in die Wüste fährt, damit er den klaren Sternenhimmel ansingen kann als Dinosaurier gilt."

Der Naturbursche kann demnächst ja mit dem Tesla Cybertruck die Wüste durchpflügen. ;-)


nettebuecherkiste Dass Michener die beiden heute mit Mountainbikes losschicken würde, kann ich mir gut vorstellen! ;-)


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