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Der Untergeher
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157 Seiten und kein einziger Absatz, ja nicht einmal ein Luftholen. In einer einzigen langen Suade spricht sich der Ich-Erzähler seinen Frust von der Seele. Die Handlung ist denkbar karg. Der Ich-Erzähler erhält ein Telegramm mit der Einladung zur Beerdigung seines Studienfreundes Wertheimer, der Selbstmord begangen hat. Er nimmt an der freudlosen Prozedur teil und reist dann in Wertheimers „Jagdhaus� in Oberösterreich, um nach hinterlassenen Dokumenten zu forschen.
In diesem Zeitraum erinnert sich der Ich-Erzähler an die gemeinsame Studienzeit am Konservatorium bzw. Mozarteum. Sie waren auf dem Weg zu Klaviervirtuosen, werden aber aus der Bahn geworfen, als sie bei einem fiktiven Meisterkurs bei Horowitz den jungen Glenn Gould und seine unübertroffene Interpretation barocker Musik kennenlernen. Ihnen genügt es nicht zu den Besten zu gehören, sie wollen der Beste sein oder gar keiner. Glenn tauft Wertheimer als den titelgebenden „Untergeher�. Aber auch der Erzähler ist ein „Sackgassenmensch�, der nichts mehr auf die Reihe bringt. Beide sind wohlhabend, können sich also Dilettantentum und Ziellosigkeit leisten. Zugleich sein beide regelrechte Kotzbrocken, die ihre Umgebung maßlos kritisieren und ihre Umwelt tyrannisieren.
Obwohl das Buch in der Ich-Perspektive geschrieben ist, verstehe ich es so, dass Thomas Bernhard das egozentrische Alles-oder-nichts ebenso kritisiert wie das in-den-Tag-Hineinleben der Reichen. Dies tut er mit vielen Seitenhieben auf das real existierende Österreich. Zugleich ist das Buch sprachlich und, mehr noch, formal kunstvoll. In Anlehnung an die von Glenn Gould unvergleichlich interpretierten Goldbergvariation von Johann Sebastian Bach variiert er das Grundmotiv des Dreiecks Gould/Untergeher/Ich-Erzähler auf immer neue, trotz vieler Wiederholungen interessante Art.
Dies war mein erster Bernhard. Trotz der ungewohnten und unerwarteten Form habe ich das Buch literarisch genossen.
In diesem Zeitraum erinnert sich der Ich-Erzähler an die gemeinsame Studienzeit am Konservatorium bzw. Mozarteum. Sie waren auf dem Weg zu Klaviervirtuosen, werden aber aus der Bahn geworfen, als sie bei einem fiktiven Meisterkurs bei Horowitz den jungen Glenn Gould und seine unübertroffene Interpretation barocker Musik kennenlernen. Ihnen genügt es nicht zu den Besten zu gehören, sie wollen der Beste sein oder gar keiner. Glenn tauft Wertheimer als den titelgebenden „Untergeher�. Aber auch der Erzähler ist ein „Sackgassenmensch�, der nichts mehr auf die Reihe bringt. Beide sind wohlhabend, können sich also Dilettantentum und Ziellosigkeit leisten. Zugleich sein beide regelrechte Kotzbrocken, die ihre Umgebung maßlos kritisieren und ihre Umwelt tyrannisieren.
Obwohl das Buch in der Ich-Perspektive geschrieben ist, verstehe ich es so, dass Thomas Bernhard das egozentrische Alles-oder-nichts ebenso kritisiert wie das in-den-Tag-Hineinleben der Reichen. Dies tut er mit vielen Seitenhieben auf das real existierende Österreich. Zugleich ist das Buch sprachlich und, mehr noch, formal kunstvoll. In Anlehnung an die von Glenn Gould unvergleichlich interpretierten Goldbergvariation von Johann Sebastian Bach variiert er das Grundmotiv des Dreiecks Gould/Untergeher/Ich-Erzähler auf immer neue, trotz vieler Wiederholungen interessante Art.
Dies war mein erster Bernhard. Trotz der ungewohnten und unerwarteten Form habe ich das Buch literarisch genossen.
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Der Untergeher.
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Reading Progress
December 25, 2023
– Shelved
December 25, 2023
– Shelved as:
to-read
December 25, 2023
– Shelved as:
austria
January 1, 2024
–
Started Reading
January 1, 2024
– Shelved as:
deutsche-gegenwartsliteratur
January 3, 2024
–
17.2%
"Dies ist mein erster Bernhard. Meine Erwartung eines ungewöhnlichen Leseerlebnisses bestätigt sich. Ohne Absätze und mit vielen Wiederholungen beschreibt er den Entwicklungs- und Verkümmerungsprozess seines Protogonisten, der an seiner "Alles oder Nichts" Einstellung zugrunde geht."
page
27
January 8, 2024
–
31.21%
"Der "Untergeher" ist Wertheimer, der aus begüterten Verhältnissen kommend sich eine Kariere als Klaviervirtuose erträumt. Die Erkenntnis seiner Unzulänglichkeit nach einer Begegnung mit Glenn Gould stürzt ihn in eine Existenzkrise. Die alles erfahren wir aus dem Munde des Icherzählers, Wertheimers Freund und Leidensgenossen."
page
49
January 11, 2024
–
59.24%
"�..,aber zu den Besten zu gehören genügte mir nicht, ich wollte der Beste sein oder keiner�
Im Sport mag dieser Siegeswille angebracht sein. Aber in der Kunst, wo es keine klaren Maßstäbe gibt, muss diese Einstellung zum Scheitern führen und - wenn man diese Rigorosität auch das andere Handeln ausdehnt - zum Untergang führen."
page
93
Im Sport mag dieser Siegeswille angebracht sein. Aber in der Kunst, wo es keine klaren Maßstäbe gibt, muss diese Einstellung zum Scheitern führen und - wenn man diese Rigorosität auch das andere Handeln ausdehnt - zum Untergang führen."
January 13, 2024
–
75.16%
"Wertheimers Beerdigung ohne Blumen und Ansprache als Selbstmörder „Nahe der Müllhalde� am Rande des Churer Friedhofs ist der atmosphärische Tiefpunkt in diesem düsteren Buch. Jetzt wird auch klar, dass er jüdischer Abstammung ist, worauf schon der Namen deutete."
page
118
January 14, 2024
–
Finished Reading
Comments Showing 1-2 of 2 (2 new)
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message 1:
by
Peter
(new)
-
rated it 2 stars
Jan 17, 2024 10:41AM

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