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155 pages, Paperback
First published January 29, 1956
DER BÜRGERMEISTER: Meine Herren, die Milliardärin ist unsere einzige Hoffnung.In dem Stück geht es um die Milliardärin Claire Zachanassian, die ihrer Heimat, der verarmten Kleinstadt Güllen, einen Besuch abstattet. Während die Einwohner auf finanzielle Zuwendungen und Investitionen hoffen, will Claire vor allem Rache für ein altes Unrecht: Als sie im Alter von 17 Jahren von dem 19-jährigen Güllener Alfred Ill ein Kind erwartete, leugnete dieser die Vaterschaft und gewann mit Hilfe bestochener Zeugen den von Klara gegen ihn angestrengten Prozess. Entehrt, wehrlos und arm musste Klara Wäscher ihre Heimat verlassen, verlor ihr Kind, wurde zur Prostituierten, gelangte jedoch später durch die Heirat mit einem Ölquellenbesitzer (der noch acht weitere Ehen folgten) an ein riesiges Vermögen.
DER PFARRER: Außer Gott.
DER BÜRGERMEISTER: Außer Gott.
DER LEHRER: Aber der zahlt nicht.
ILL: Ich lebe in einer Hölle, seit du von mir gegangen bist.Was ich an dem Stück besonders interessant finde, ist, dass man natürlich mit Ill mitfühlt, aber trotzdem weiß, dass er kein Unschuldslamm ist. Claires Rachegelüste sind, wenn auch nicht in dieser Intensität, nachvollziehbar. Und sie ist als Figur einfach ICONIC ("Nicht nötig. Seit meinem Unfall bewege ich mich nur per Sänfte. Roby und Toby, her damit."). Und immerhin musste sie 45 Jahre auf ihre Rache warten. Dürrenmatt selbst hat sie ihrer Unerbittlichkeit wegen mit Medea verglichen. Als "reichste Frau der Welt" verfügt sie über finanzielle Druckmittel, die es ihr erlauben, die Bürger der Stadt für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Ihr Vermögen versetzt sie in die Lage, "wie eine Heldin der griechischen Tragödie zu handeln, absolut, grausam". Claire braucht auf nichts und niemanden Rücksicht zu nehmen � nicht mal auf ihr eigenes Gewissen. Und das macht sie zu einem so spannenden und auch untypischen Frauenfigur. Zudem hat Dürrenmatt sie mit einer Pseudo-Unsterblichkeit ausgestattet: Als einzige Überlebende eines Flugzeugabsturzes umgibt sie die Aura des Wunderbaren und Übermächtigen � auch wenn ein Blick hinter die grotesken Kulissen zeigt, dass ihr einst makelloser Körper inzwischen nur noch von zahlreichen Prothesen zusammengehalten wird.
CLAIRE ZACHANASSIAN: Und ich bin die Hölle geworden.