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Max's Reviews > Eurotrash

Eurotrash by Christian Kracht
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118385422
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it was ok

Kennt ihr dieses alte Credo vom Anfang des 21. Jahrhunderts: Man muss das Werk vom Autor trennen? Wisst ihr, was ich denke � man muss das Werk vom Werk trennen!

Ich kenne nichts von Kracht und vermutlich liegt genau hier der bunte Hund im Pfeffer begraben: ohne die Lektüre von „Faserland� und "Textilstadt" fehlt mir einfach der Hintergrund, für mich zünden die Anspielungen in „Eurotrash� (man sollte es übrigens französisch aussprechen, wie Kracht selber in einem Interview bekannt hat) so, wie scheißkleine Miniböller für Kinder zünden, es macht ein bisschen puff und das wars dann. Die Story liest sich wie eine Hänsel-und-Gretel-Spur aus dem hingeworfenen Kehricht verschiedenster Anspielungen auf Nazis, Sexmonster, Autoren, Schauspieler und so fort. Das ist so lose, vage und unverbunden, dass man als Leser irgendwann einfach dauerhaft den Eindruck hat, alles sei Zitat, alles habe einen scheißwichtigen Bezug zur Gegenwart. Die Gespräche mit der kaputten, alten Mutter sind so hölzern, dass man das Knirschen der sich verhakenden Schreibmaschinentypen noch hören kann. Und - Leute - ich gebe Muttergeschichten Vorschusslorbeeren ohne Ende, ich bin das Muttisöhnchen in Persönchen!
Die lustigste Bemerkung zu Eurotrash (auch die spanische Aussprache sei zulässig, by the way) kam allerdings von Denis Scheck. Der sieht darin nämlich ein Meisterwerk der Gegenwart und ich frage mich ganz intensiv, ob wir uns dieselbe Gegenwart teilen...schsszzzr...

„Entschuldigt bitte, ich muss mich kurz zu Wort melden. Ich bin die Mutti vom Max und es steht mir grad wirklich bis hier! In "Eurotrash" hat Christian Kracht ein wunderbares Kleinod an Zeitgeschichte vorgelegt, in einem herrlich ironischen Ton, voller Leben und Esprit. Warum mein Maxi sich hier so böse über dieses Meisterwerk äußert�? Ich weiß es nicht, so habe ich ihn nicht erzogen. Diese blinde Gehässigkeit hat er nicht von meiner Seite. Schon als Kind konnte er es nicht akzeptieren, wenn er in Mathe eine 5 nach Hause brachte. Er hat sich so geschämt! Ich habe ihm immer gesagt: Maxi, deine Minderwertigkeitskomplexe sollst du nicht an anderen auslassen, wirklich nicht. Ach, wie traurig war ich, als ich bemerkte, dass er seine verletzten Gefühle zunehmend in der Literaturkritik verarbeitete. Kracht ist ein wunderbarer Autor, das müsst ihr mir glauben.�

Max: Mama, warum schreibst du das denn, das ist meine Å·±¦ÓéÀÖ-Seite. Kannst du dir nicht deine eigene erstellen?

Mama: Wenn du die Werke, die du liest, nicht verstehst, muss ich mich einschalten. Deine Unfähigkeit fällt doch auf mich zurück! Es ist mein Name. Ich habe nur diesen einen!!!

Max: Mama, das hast du doch aus einem Film geklau�

Mama: Genug! Geh in dein Zimmer!

Max: Ich bin 35, verdammt noch mal... Ich bin hessischer Beamter... Und das hier ist das Internet.. The fucking internet! Hier kannst du mich nicht mehr unterdrücken! Hier nicht!!!

Mama: Wenn du dieses Metageschreibsel für gelungen hältst, bist du noch dümmer, als es Frau Riedel in der Grundschule diagnostiziert hatte. Nicht mal Shakespeare oder Goethe kannst du in deinen Anspielungen einb�

„Frau Rössner, kann ich mich kurz einschalten? Ja, hey, ich bin Alex, die Freundin von Bärli, äh, Max. Ich will nur kurz mit einem Missverständnis aufräumen. Er ist wirklich nicht so furchtbar besserwisserisch, wie er auf YouTube und hier auf Å·±¦ÓéÀÖ oft rüberkommt. Er ist eigentlich ein ganz liebes Bärli, zu Hause trägt er nur XXL-Pullis von Queen und backt mir gerne Kuchen und Muffins.â€�

Alex, danke für deine Hilfe, aber ich schaff das schon alleine! Also, wo war ich: Wer auf Anspielungen und unverständliche, unauthentische Meta-Diskurse und Fiktionalitäts-Blabla steht, der wird’s lieben. (Also, klar, der letzte Satz war jetzt nicht gerade wertneutral oder fair formuliert. Aber who cares, so ist das nun mal in der freien Marktwirtschaft.) Recht habe ich trotzdem. Absolut.

Übrigens: Wollt ihr eine grandiose Geschichte lesen, die mit metafiktionalen Mitteln spielt und sich unter der Hand in eine berührende Auseinandersetzung mit literarischer Herrschaft und Tod wandelt? Die also all das aufweist, was "Eurotrash" vermissen lässt? Lest "Rosalie geht sterben" in "Ruhm" von Daniel Kehlmann. Ein Genuss.

Und wieder einmal sehen wir alle Fragen offen, der Vorhang schließt sich und so weiter und so fort und kein Priester hat ihn auf dem Schimmelreiter begleitet, durch diese hohle Gasse musste er ganz alleine kommen.

„Es tut mir so furchtbar leid � zu Weihnachten wird`s keine Geschenke geben!�
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Reading Progress

September 22, 2021 – Shelved
September 22, 2021 – Shelved as: to-read
October 13, 2021 – Started Reading
October 13, 2021 –
page 50
23.92% "Eurotrash wurde mir als eines der besten Bücher des Jahres angepriesen. Es ist mein erstes Buch von Kracht, ich kenne keine früheren Werke oder Poplit-Apotheosen, aber wenn ich Eurotrash noch richtig gut finden soll, muss es jetzt mal aus dem erzählerischen Knick kommen und zünden. Gerade sehr viel langsätzige und langsame Nazi-Vorgeschichte voller Glanz und Klunker. Ehrlich: (noch) nicht meins."
October 15, 2021 –
page 150
71.77% "Anstatt eine Geschichte zu erzählen (wie spießig, wie lahm!), reiht Kracht hier eurohistorische Namen, Zitate, Anspielungen aneinander (Titelbezug, Alter!), tunkt jeden Absatz durch den Kakao der Ironie und schiebt in das bröckelige Käsesandwich der Realitäts/Fiktions-Langweilsfrage noch eine würstchengroße Portion von abgefuckter Mutti im Schlafrock, pour le Gefühl vielleicht. Denis Scheck mags sehr, na dann."
October 16, 2021 – Finished Reading

Comments Showing 1-5 of 5 (5 new)

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Anna Carina 😂 Großartig! Einer nach dem Anderen hier in meiner Å·±¦ÓéÀÖbubble zerfetzt das Buch. Jetzt muss ich es wohl doch ehr lesen als geplant. Ich fürchte, ich werde es feiern😬


message 2: by Max (new) - rated it 2 stars

Max Ich würde mir wünschen, dass du es feierst, klar! Dann könntest du mir ja vielleicht auch erklären, was du darin feierst, ich würde es gerne fühlen und nachvollziehen können. ;-)


Semjon Da sind wir ja einer Meinung. Aber ich habe die Wette gegen mich verloren, denn ich hätte gedacht, dass es dir gefallen würde. Aber dein Frust hat sich ja in eine schöne Form der Kreativität beim Schreiben deiner Review verwandelt. 😃


message 4: by Thoralf (new)

Thoralf Nun warte erst mal ab, bis es den Deutschen Buchpreis gewinnt. Hihi.


message 5: by Scythe (new)

Scythe Rowan Danke, das Review hat mich sehr zum Lachen gebracht


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